Nachhaltige Quartiersentwicklung: Wie grüne Stadtteile Ihre Immobilie wertvoller machen

Nachhaltige Quartiersentwicklung: Wie grüne Stadtteile Ihre Immobilie wertvoller machen

Anneliese Kranz 19 Dez 2025

Was macht ein Quartier wirklich wertvoll?

Stellen Sie sich vor: Sie wohnen in einem Viertel, wo Sie zu Fuß zur Bäckerei, zur KiTa, zur Apotheke und zur Arbeit kommen. Im Garten des Mehrfamilienhauses wachsen Gemüsebeete, die Dächer sind mit Solarpanelen bedeckt, und am Abend sitzen Nachbarn auf der Terrasse, weil es sich einfach gut anfühlt, hier zu leben. Das ist kein Traum. Das ist nachhaltige Quartiersentwicklung - und sie steigert den Wert Ihrer Immobilie deutlich.

Es geht nicht nur um grüne Dächer oder Elektro-Ladestationen. Es geht um ein ganzes System: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Kinderbetreuung, Energie und soziale Beziehungen - alles miteinander verknüpft. Und das macht diese Quartiere nicht nur lebenswerter, sondern auch wertbeständiger als herkömmliche Wohngebiete.

Warum Investoren in nachhaltige Quartiere setzen

Institutionelle Investoren, wie Pensionsfonds oder Versicherungen, haben eine klare Regel: Sie wollen nur noch in Immobilien investieren, die ESG-Kriterien erfüllen - also ökologisch, sozial und gut geführt (governance). Laut einer Studie von Cushman & Wakefield aus Juni 2023 ist das mittlerweile das wichtigste Investment-Kriterium überhaupt. Kein Wunder: Wer heute in ein Gebäude investiert, muss damit rechnen, dass es in 15 Jahren noch attraktiv ist. Und das ist nur möglich, wenn es nicht nur energieeffizient, sondern auch sozial stabil und wirtschaftlich tragfähig ist.

Ein Beispiel: Vonovia hat im Jahr 2022 allein 117,8 Millionen Euro in Quartiersentwicklungen investiert. Nicht für einzelne Wohnungen, sondern für ganze Stadtteile. Warum? Weil sie wissen: Ein Quartier mit KiTa, Pflegeheim, Café und Nahversorgung bleibt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefragt. Die Nachfrage bleibt stabil - und damit auch die Mieten und der Verkaufswert.

Die vier Säulen, die den Wert wirklich steigern

Nicht alle Maßnahmen wirken gleich stark. Die Oschinski Immobilien-Studie aus 2023 hat genau analysiert, was 2025 den größten Einfluss auf den Immobilienwert haben wird. Und die Antwort ist klar:

  1. Gezielte Nutzungsmischung - Wohnen, Gewerbe, Bildung und Gastronomie im selben Viertel. Das ist der stärkste Werttreiber. 82,5 Prozent der Befragten in einer Engel & Völkers-Studie sagen: Das ist wichtig. Doch nur 28,7 Prozent der Investoren investieren tatsächlich hier - weil es komplexer ist als ein Solarpanel aufs Dach zu legen.
  2. Nachhaltigkeit von Anfang an - Nicht als Nachtrag, sondern als Grundlage. Das bedeutet: energieeffiziente Gebäude, regionale Baustoffe, Regenwassernutzung, grüne Dächer. Das senkt die Betriebskosten und macht die Immobilie zukunftssicher.
  3. Social Mix - Ein Viertel, in dem Familien, Singles, Senioren und Migranten zusammenleben, ist widerstandsfähiger. Es gibt mehr soziale Netzwerke, weniger Leerstand, mehr Gemeinschaft. Das schafft Stabilität - und das ist für Investoren Gold wert.
  4. Digitalisierung als Werkzeug - Smarte Gebäudesteuerung, digitale Nachbarschaftsplattformen, Online-Buchung von Gemeinschaftsräumen. Das macht das Leben einfacher - und erhöht die Zufriedenheit. Wer sich wohlfühlt, bleibt länger - und zahlt lieber.
Umwandlung eines brachliegenden Industriegeländes in ein lebendiges, gemischt genutztes Quartier mit Wohnen, Pflege und Café.

Was passiert auf realen Flächen? Das INquartier in Ingolstadt

Ein ehemaliges Industrieareal in Ingolstadt, 153.000 Quadratmeter brachliegender Beton - heute wird daraus das INquartier. 256.000 Quadratmeter Nutzfläche, davon 73 Prozent Wohnen. Aber nicht nur Wohnen: 30 Prozent der Wohnungen sind gefördert, es gibt ein Seniorenpflegeheim, eine KiTa, Büroflächen, ein Café und einen Supermarkt. Alles zu Fuß erreichbar. Kein Auto nötig.

Das ist kein Einzelfall. Das ist der neue Standard. Und es funktioniert: Die Leerstandsquote in solchen Quartieren liegt deutlich unter dem städtischen Durchschnitt. Die Mieten steigen langsamer, aber stabiler. Und die Verkaufspreise für Eigentumswohnungen liegen bis zu 15 Prozent über vergleichbaren Projekten ohne Nutzungsmischung.

Warum? Weil es nicht um ein einzelnes Gebäude geht. Es geht um ein System, das funktioniert. Und Systeme sind schwer zu kopieren. Das macht sie wertvoll.

Warum viele Projekte scheitern - und wie Sie es besser machen

Nicht jeder Quartiersentwickler schafft es, Nachhaltigkeit wirklich zu leben. Ein häufiger Fehler: Man baut ein paar Solarpaneele auf, setzt ein paar Fahrradständer hin und nennt es „nachhaltig“. Das reicht nicht.

Die TRASIQ-Forschung hat ein klaren Fehler identifiziert: Viele Projekte haben keine klaren lokalen Nachhaltigkeitsziele. Sie kopieren einfach Vorgaben aus anderen Städten. Aber Graz ist nicht Berlin. Ein Quartier in der Innenstadt braucht andere Lösungen als eines am Stadtrand.

Der Schlüssel ist: Bürgerbeteiligung. Wenn Anwohner von Anfang an mitreden - in Planungsforen, bei Workshops, bei der Auswahl der Baumaterialien - dann entsteht Akzeptanz. Und Akzeptanz bedeutet: weniger Widerstand, weniger Verzögerungen, weniger Kosten. Und das steigert den Wert.

Ein weiterer Punkt: Die Definition von „Nachhaltigkeit“ ist immer noch uneinheitlich. Wer sagt, was „nachhaltig“ ist? Das macht die Bewertung schwer. Aber das ist kein Grund, nichts zu tun. Es ist ein Grund, klar zu kommunizieren: Was genau machen wir? Warum? Und wie messen wir den Erfolg?

Vier Säulen nachhaltiger Quartiersentwicklung: Energie, Soziales, Nutzungsmischung und Digitalisierung als verbundene Elemente.

Wie Sie als Eigentümer profitieren - auch wenn Sie nur eine Wohnung besitzen

Sie besitzen eine Wohnung in einem älteren Haus? Sie können trotzdem profitieren. Der Wert Ihrer Immobilie steigt, wenn das ganze Quartier sich verändert. Eine Nachbarschaft mit guter Infrastruktur, sauberer Luft, sicheren Straßen und Gemeinschaftsräumen ist attraktiver - egal, ob Ihr Haus 1970 oder 2025 gebaut wurde.

Was können Sie tun?

  • Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn: Sollte es eine Gemeinschafts-Gartenfläche geben?
  • Setzen Sie sich mit der Wohnungsbaugesellschaft ein: Kann man die Energieversorgung gemeinsam umbauen?
  • Unterstützen Sie lokale Initiativen: Eine Carsharing-Station, eine Reparatur-Café, ein Tauschbörse für Kinderkleidung - das alles erhöht die Lebensqualität und damit auch den Wert.

Es geht nicht darum, alles selbst zu machen. Es geht darum, Teil eines Systems zu werden, das funktioniert. Und das System hat einen Namen: nachhaltige Quartiersentwicklung.

Die Zukunft: Mehr als ein Trend - ein Muss

Die Stadt wächst. Die Menschen ziehen in die Zentren. Die Klimakrise bleibt. Die Energiepreise bleiben hoch. Wer heute noch nur auf Einzelprojekte setzt - ein Haus mit Solaranlage, ein Parkplatz, eine Wohnung ohne Nachbarschaft - wird in zehn Jahren hinterherhinken.

Die Cushman & Wakefield-Studie sagt es klar: Die Megatrends - Urbanisierung, Klimawandel, Digitalisierung - machen nachhaltige Quartiersentwicklungen noch attraktiver. Und das bedeutet: Wer jetzt investiert, kauft nicht nur eine Immobilie. Er kauft Zukunftssicherheit.

Die ZIA-Position von 2014 hat es schon damals gesagt: Wirtschaftlichkeit ist die Grundbedingung. Nachhaltigkeit darf nicht kosten, sie muss wert schaffen. Und das tut sie - wenn sie richtig gemacht wird.

Was kommt als Nächstes?

Die nächste Welle wird nicht nur aus Energieeffizienz bestehen. Sie wird aus Resilienz bestehen: Quartiere, die bei Hitze, Starkregen oder Energieengpässen weiter funktionieren. Das bedeutet: Grünflächen, die kühlen; Regenwasserspeicher, die überflutungen verhindern; lokale Energieerzeugung, die unabhängig macht.

Die großen Akteure wie Vonovia, GERCH oder BUWOG haben das längst verstanden. Und sie bauen nicht nur Wohnungen - sie bauen Gemeinschaften. Und das ist der wahre Wert.