Kostenteilung bei Dachsanierung im Reihenhaus: Rechtliche Regeln und Praxis

Kostenteilung bei Dachsanierung im Reihenhaus: Rechtliche Regeln und Praxis

Anneliese Kranz 5 Nov 2025

Wer zahlt was bei einer Dachsanierung im Reihenhaus?

Wenn das Dach Ihres Reihenhauses undicht wird, ist die erste Frage nicht, wer den Dachdecker ruft, sondern: Wer muss wie viel bezahlen? Im Gegensatz zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es hier keine klare Gesetzesregel, die automatisch die Kosten verteilt. Stattdessen hängt alles von der Bauweise, dem Grundbuch und dem Verhalten Ihrer Nachbarn ab.

Ein typischer Fall: Sie wollen Ihr Dach sanieren, weil es undicht ist und die Dämmung nicht mehr dem heutigen Standard entspricht. Ihr Nachbar will nichts tun. Er sagt, sein Teil des Daches sei in Ordnung. Kann er das? Und müssen Sie seine Kosten mittragen, wenn Sie das Dach komplett neu decken? Die Antwort ist kompliziert - aber lösbar.

Das Dach ist nicht immer Gemeinschaftseigentum

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist das Dach klar: Es gehört allen gemeinsam. Die Kosten werden nach den Miteigentumsanteilen aufgeteilt - das steht im Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Bei Reihenhäusern ist das anders. Hier gibt es oft gar keine WEG. Jeder Eigentümer besitzt sein Haus und das Grundstück davor - aber das Dach? Das ist ein Graubereich.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat 2006 klargestellt: Wenn eine Dachrinne oder ein Fallrohr über mehrere Häuser hinweg verläuft, dann ist sie Gemeinschaftseigentum. Das bedeutet: Sie gehört nicht dem einen oder anderen Eigentümer, sondern allen, die daran angeschlossen sind. Wer da etwas verändert - etwa die Rinne verlegt oder das Fallrohr umgeleitet - braucht die Zustimmung der anderen. Sonst handelt er rechtswidrig. Das gilt auch, wenn die Rinne nur auf Ihrem Teil des Daches liegt, aber das Wasser Ihres Nachbarn abführt.

Wenn Sie also ein neues Dach decken und dabei die Dachrinne erneuern, die auch Ihr Nachbar nutzt, dann ist er Mitinhaber dieser Rinne. Und damit auch an den Kosten beteiligt. Das ist kein freiwilliger Gefallen - das ist Gesetz. § 922 BGB sagt klar: Gemeinschaftseigentum darf nicht einseitig verändert werden.

Was ist Gemeinschaftseigentum? Die klaren Regeln

  • Durchgehende Dachrinnen: Wenn die Rinne über zwei oder mehr Dächer läuft, ist sie Gemeinschaftseigentum - egal, wo sie physisch liegt.
  • Fallrohre: Alle Rohre, die das Regenwasser von mehreren Häusern abführen, gehören allen.
  • Dachdeckung an der Grenze: Wenn das Dach an der gemeinsamen Wand endet und nicht klar abgegrenzt ist, kann es als gemeinsames Element gelten.
  • Unterdach und Dachsparren: Wenn die Sparren über die Grenze reichen oder gemeinsam getragen werden, sind sie ebenfalls Gemeinschaftseigentum.

Was nicht dazugehört: Einzelne Dachziegel, die nur auf Ihrem Teil liegen, oder eine Dachfensteröffnung, die nur Ihr Haus betrifft. Hier gilt: Jeder zahlt für sich. Aber sobald etwas gemeinsam genutzt wird, ist die Regel klar: Kein Einzelner darf entscheiden. Alle müssen zustimmen.

Zwei Hausbesitzer besprechen eine Dachsanierung an einer gemeinsamen Dachsparrenkonstruktion mit unterschriebener Vereinbarung.

Kein Vertrag? Dann greift das Nachbarrecht

Wenn Sie keinen Teilungsvertrag haben - und viele Reihenhäuser haben keinen - dann greift das Nachbarrecht. Und das ist bundeslandspezifisch. In Niedersachsen sagt § 19 NachbG: Wenn zwei Häuser nebeneinander gebaut wurden und eine gemeinsame Wand oder ein gemeinsames Dachelement existiert, dann tragen beide Eigentümer die Kosten zu gleichen Teilen. Das gilt auch für Dachrinnen, Fallrohre und Dachanschlüsse.

In Hessen ist das anders. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier entschieden: Ein Nachbar kann bauliche Veränderungen am eigenen Haus untersagen, selbst wenn sie nur auf seinem Grundstück liegen. Das bedeutet: Wenn Sie Ihre Dachdeckung dämmen wollen und die Dämmung bis zur Grenze reicht, kann Ihr Nachbar das verbieten - auch wenn das Ihre Sanierung erschwert. Er muss nichts dulden, nur weil es energetisch sinnvoll ist.

In Nordrhein-Westfalen ist es wiederum anders. Hier empfehlen Experten von Haus & Grund, sich an den örtlichen Verein zu wenden. In Bremen gelten andere Regeln als in Bayern. Es gibt keine einheitliche Regelung für ganz Deutschland. Das macht es so schwierig.

Die Solarpflicht: Was Sie jetzt beachten müssen

Seit dem 1. Januar 2023 müssen Eigentümer in Baden-Württemberg und Berlin bei einer grundlegenden Dachsanierung eine Photovoltaikanlage oder Solarthermieanlage installieren. Hamburg folgt ab 1. Januar 2025. Das ist kein freiwilliger Bonus - das ist Gesetz. Und es hat direkte Auswirkungen auf die Kostenteilung.

Wenn Sie Ihr Dach sanieren und dabei eine PV-Anlage installieren müssen, dann ist das eine Pflicht. Aber: Wer zahlt sie? Wenn die Anlage nur auf Ihrem Teil des Daches sitzt, dann zahlen Sie sie allein. Wenn die Anlage aber über die Grenze reicht oder die Tragkonstruktion gemeinsam genutzt wird, dann ist das ein Gemeinschaftsprojekt. Und dann brauchen Sie die Zustimmung Ihres Nachbarn - und er muss mitzahlen.

Die Kosten für eine Dachsanierung liegen zwischen 400 und 600 Euro pro Quadratmeter. Eine PV-Anlage kostet zusätzlich 8.000 bis 15.000 Euro. Wer das allein zahlt, hat ein Problem. Deshalb: Klären Sie vorher, wer was bekommt. Und wer was bezahlt. Sonst gibt es später Ärger.

Was passiert, wenn Sie ohne Zustimmung sanieren?

Einige Eigentümer denken: „Ich mache das jetzt einfach, und später gucken wir, wie es läuft.“ Das ist ein großer Fehler. Der BGH hat mehrfach klargestellt: Wer bauliche Veränderungen an Gemeinschaftseigentum vornimmt, ohne die Zustimmung der anderen, macht sich strafbar. Der Nachbar kann Sie zur Rückschaffung zwingen. Das heißt: Sie müssen das Dach wieder so machen, wie es vorher war - und die Kosten tragen.

Und das ist nicht alles. Wenn Sie die Dachrinne verlegen, ohne die Zustimmung Ihres Nachbarn, kann er die Wasserversorgung Ihres Hauses beeinträchtigen - etwa durch das Blockieren des Abflusses. Dann haben Sie nicht nur Ärger, sondern auch ein nasses Dach. Und das kostet mehr als die Sanierung.

Aufgespaltenes Dach: Einzelbesitz links, gemeinschaftliches Eigentum rechts mit Solaranlage und rechtlichen Symbolen.

Praktische Tipps: So vermeiden Sie Streit

  1. Prüfen Sie das Grundbuch: Gibt es eine Eintragung zum Dach oder zu Gemeinschaftseigentum? Wenn ja, dann gilt das.
  2. Prüfen Sie den Teilungsvertrag: Selbst wenn keine WEG besteht, könnte dort etwas stehen. Oft wird das vergessen.
  3. Schreiben Sie alles auf: Mündliche Absprachen sind vor Gericht wertlos. Ein gemeinsames Schreiben mit Unterschrift ist die einzige sichere Grundlage.
  4. Verlangen Sie separate Angebote und Rechnungen: Der Dachdecker muss für jedes Haus eine eigene Rechnung erstellen. Nur so können Sie die Steuerabsetzung für Sanierungen (z. B. über die Einkommensteuer) nutzen.
  5. Consultieren Sie einen Anwalt: Ein Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht kostet 200-400 Euro. Das ist billiger als ein Gerichtsverfahren.

Ein Fall aus dem Forum: Ein Eigentümer aus Hessen wollte sein Dach sanieren. Sein Nachbar verlangte, dass er 50 % der Kosten für den Dachaufgang und die Rinne übernimmt - obwohl er nie ein Angebot oder eine Rechnung gesehen hatte. Der Dachdecker erklärte: „Der Nachbar ist der Auftraggeber.“ Aber der Eigentümer brauchte eine Rechnung auf seinen Namen, um die Steuerabsetzung zu nutzen. Lösung? Beide Eigentümer unterschrieben eine Vereinbarung: Jeder zahlt 50 %, der Dachdecker stellt zwei separate Rechnungen aus. Kein Streit. Kein Gericht.

Was ist mit der Dämmung?

Wenn Sie Ihr Dach sanieren, müssen Sie nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) den aktuellen Dämmstandard einhalten - wenn mehr als 10 % der Dachfläche betroffen sind. Das bedeutet: Dämmung mindestens 14 cm stark, Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) unter 0,24 W/(m²K). Das kostet extra. Und wer zahlt das?

Wenn die Dämmung nur auf Ihrem Teil liegt, dann zahlen Sie sie allein. Wenn sie über die Grenze reicht oder die Sparren gemeinsam genutzt werden, dann ist es Gemeinschaftsarbeit. Und dann brauchen Sie die Zustimmung. Die Ausnahme: Wenn Ihr Haus seit 2002 von Ihnen selbst bewohnt wird, sind Sie von der Nachrüstpflicht ausgenommen. Aber: Wenn Sie das Haus verkaufen, muss der neue Eigentümer innerhalb von zwei Jahren dämmen. Dann wird er Sie vermutlich fragen: „Warum hast du das nicht schon gemacht?“

Was kommt als Nächstes?

Experten prognostizieren, dass bis 2025 alle 16 Bundesländer eine Solarpflicht einführen werden. Das wird die Kostenteilung noch komplexer machen. Denn wer will schon 10.000 Euro für eine PV-Anlage zahlen, wenn der Nachbar nichts davon will? Die Lösung: Frühzeitig kommunizieren. Gemeinsam planen. Und alles schriftlich festhalten.

Die Energiekosten steigen. Die Klimaziele werden strenger. Und die Rechtsprechung wird immer klarer: Gemeinschaftseigentum darf nicht einseitig verändert werden. Wer das ignoriert, zahlt am Ende doppelt - einmal für die Sanierung, einmal für den Rechtsstreit.

Muss ich die Kosten für die Dachrinne mittragen, wenn sie nur auf meinem Dach liegt?

Ja, wenn die Rinne das Regenwasser von Ihrem Nachbarhaus abführt. Selbst wenn sie physisch auf Ihrem Dach liegt, ist sie Gemeinschaftseigentum, wenn sie mehrere Häuser versorgt. Das hat das OLG Düsseldorf 2006 klargestellt. Sie müssen dann die Kosten zu gleichen Teilen tragen, es sei denn, es gibt eine andere vertragliche Vereinbarung.

Kann mein Nachbar eine Dachsanierung verbieten, obwohl er nichts davon hat?

Ja, wenn es um Gemeinschaftseigentum geht. Der BGH hat entschieden, dass Nachbarn bauliche Veränderungen am eigenen Haus nicht dulden müssen - selbst wenn sie nur auf ihrem Grundstück liegen. Wenn Sie Dämmung bis zur Grenze bringen, kann Ihr Nachbar das verbieten. Er muss nichts dulden, nur weil es energetisch sinnvoll ist.

Brauche ich eine Baugenehmigung für eine Dachsanierung?

Ja, wenn die Sanierung mehr als 10 % der Dachfläche betrifft oder die Dachform verändert wird. Das gilt nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Auch bei der Installation einer Photovoltaikanlage ist oft eine Genehmigung nötig - je nach Bundesland. Prüfen Sie immer vorher beim Bauamt.

Wie kann ich die Steuerabsetzung für meine Dachsanierung nutzen?

Sie brauchen eine separate Rechnung auf Ihren Namen. Wenn Sie und Ihr Nachbar gemeinsam sanieren, muss der Dachdecker zwei Rechnungen ausstellen - eine für Sie, eine für ihn. Nur dann können Sie die 20 % Sanierungsanteil (bis zu 40.000 Euro pro Wohnung) über die Einkommensteuer absetzen.

Was passiert, wenn ich die Kosten nicht bezahle, obwohl ich verpflichtet bin?

Der andere Eigentümer kann Sie vor Gericht verklagen und zur Zahlung zwingen. Außerdem kann er Sie zur Rückschaffung zwingen, wenn Sie ohne Zustimmung verändert haben. Das bedeutet: Sie müssen das Dach wieder in den Originalzustand versetzen - und das kostet mehr als die ursprüngliche Sanierung.