KI-Tools zur Immobilienbewertung: So genau sind sie wirklich im Test

KI-Tools zur Immobilienbewertung: So genau sind sie wirklich im Test

Angela Shanks 27 Okt 2025

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihre Wohnung verkaufen. Früher mussten Sie einen Gutachter buchen, Wochen warten und dann einen Preis bekommen - oft mit Unsicherheiten. Heute geben Sie Ihre Adresse in eine App ein, und schon nach 12 Sekunden steht da: Immobilienwert 345.000 Euro. Klingt wie Magie? Ist es aber nicht. Es ist Künstliche Intelligenz - und sie verändert die Immobilienwelt grundlegend.

Wie funktioniert eine KI-basierte Immobilienbewertung?

KI-Tools für die Immobilienbewertung arbeiten nicht mit Bauchgefühl, sondern mit Daten. Sie scannen Millionen von Verkaufsdaten, Mietpreise, Straßenzüge, Schulen, Parkplätze, Kriminalitätsraten, Baulücken und sogar Fotos von Immobilien. Alles wird in ein Modell eingespeist, das lernt: Was macht eine Wohnung teuer? Was senkt den Wert?

Ein System wie Sprengnetter nutzt beispielsweise 18 Millionen Angebotsmieten, 11 Millionen Kaufpreise und 2,4 Millionen verkaufte Objekte in Deutschland. Dazu kommen Daten über Buslinien, Supermärkte, Parkplätze und sogar die Anzahl der Bäume im Viertel. Die KI analysiert das alles gleichzeitig - und findet Muster, die kein Mensch in einer Woche erkennen würde.

Ein weiterer Schritt: Bilderkennung. Die KI schaut sich Fotos von Wohnungen an - ob der Boden kaputt ist, ob die Küche modern wirkt, ob der Balkon überdacht ist. Sie liest Inseratstexte und erkennt, ob jemand „ruhige Lage“ oder „modernisierte Bäder“ betont. All das fließt in die Bewertung ein. Kein Mensch könnte das in Sekunden tun.

Wie genau sind diese Tools wirklich?

Die Genauigkeit ist beeindruckend - aber nicht perfekt. Bei standardisierten Wohnungen in Städten wie Berlin, Hamburg oder Köln liegen die Schätzungen oft nur 2-3 Prozent vom tatsächlichen Verkaufspreis entfernt. Zillow, das bekannteste Tool in den USA, erreicht eine Genauigkeit von 97 Prozent bei seinen Zestimate-Werten - und das, obwohl es nur öffentliche Daten nutzt.

In Deutschland hat Sprengnetter in Tests gezeigt, dass seine KI bei Mehrfamilienhäusern in Großstädten bis zu 95 Prozent der tatsächlichen Verkaufspreise trifft. PriceHubble, ein weiterer Anbieter, erreicht bei Eigentumswohnungen in urbanen Zentren ähnliche Werte. Das ist deutlich besser als viele manuelle Gutachten, die oft um 10-15 Prozent danebenliegen, weil der Gutachter nur drei vergleichbare Objekte kennt.

Aber hier kommt der Haken: In ländlichen Gebieten, bei Einzelhäusern mit Garten, bei seltener Architektur oder bei Immobilien mit besonderem Charme - da versagen die Algorithmen. Warum? Weil es zu wenig Daten gibt. Eine Villa mit Holzverkleidung aus den 1930er Jahren in einem kleinen Dorf hat keinen direkten Vergleich. Die KI kann nur schätzen - und das ist dann oft nur eine grobe Orientierung.

Was können KI-Tools - und was nicht?

KI-Tools sind keine Ersatzgutachter. Sie liefern keine rechtlich verbindliche Verkehrswertermittlung nach § 194 Baugesetzbuch. Banken akzeptieren sie nicht als alleinige Grundlage für einen Kredit. Aber sie sind perfekt als erster Schritt.

Makler nutzen sie, um schnell zu sehen, ob eine Immobilie „im Markt“ liegt. Investoren checken mit PriceHubble oder Mashvisor Heatmaps, wo die Mietrenditen am höchsten sind. Bausparkassen bewerten Tausende von Objekten in einer Woche - ohne 50 Gutachter zu beschäftigen.

Ein Beispiel: Ein Makler in Lübeck hat 20 Immobilien im Portfolio. Früher brauchte er für jede eine manuelle Analyse - 20 Stunden Arbeit. Jetzt lädt er die Adressen in Sprengnetter hoch. In 15 Minuten hat er eine Schätzung für alle - mit Konfidenzwerten. Er weiß sofort: „Diese drei sind unterbewertet, die anderen eher überteuert.“ Dann geht er nur noch zu den drei vielversprechenden Objekten und macht die detaillierte Besichtigung. Zeitersparnis: 80 Prozent.

Glowende KI-Netzwerkstruktur, die Haus-Symbole, Straßenkarten und Wetterdaten in einer deutschen Stadt verbindet.

Die fünf besten KI-Tools für Deutschland im Vergleich

Vergleich der führenden KI-Immobilienbewertungstools in Deutschland
Tool Datenbasis Genauigkeit (Städte) Spezialität Kosten
Sprengnetter 18 Mio. Mieten, 11 Mio. Kaufpreise, 2,4 Mio. Verkäufe 90-95% Detailreiche Stadt- und Bezirksanalysen Ab 49 €/Monat (Profi)
PriceHubble Deutschlandweit, inkl. Maklerdaten und Baupreise 88-93% Prognosen für Wertentwicklung bis 2030 Ab 29 €/Monat
Zillow Zestimate US-Daten (nur indirekt relevant für DE) 97% (in den USA) Benutzerfreundlich, aber nicht für Deutschland geeignet Kostenlos (USA)
Mashvisor Fokus auf Investitionen, Mietrenditen 85-90% Heatmaps für Kapitalanleger Ab 49 €/Monat
Immowelt KI-Bewertung Verkaufsdaten aus Immowelt-Plattform 80-88% Integration in Immowelt-Angebote Kostenlos (für Nutzer)

Wichtig: Zillow ist kein deutsches Tool. Es funktioniert nur in den USA. Viele Nutzer verwechseln das - aber für Deutschland ist Sprengnetter oder PriceHubble die bessere Wahl.

Warum vertrauen Menschen den KI-Werten nicht?

Weil sie nicht verstehen, wie sie funktionieren. Das nennt man den „Black Box“-Effekt: Die KI sagt „345.000 Euro“ - aber warum? Welche Straße hat wie viel Gewicht? Welche Schule hat den größten Einfluss? Die meisten Systeme sagen das nicht. Das ist problematisch, besonders wenn es um Rechtsstreitigkeiten geht.

Ein Kunde kauft eine Wohnung für 360.000 Euro - die KI hatte 350.000 Euro geschätzt. Später stellt sich heraus: Die Wohnung hat ein verstecktes Schimmelpilzproblem. Der Käufer klagt: „Die KI hat mich belogen!“ Aber die KI hat das nicht gesehen - sie hat nur Fotos und Daten analysiert. Kein Mensch hätte das auch gesehen, wenn er nicht auf den Boden geschaut hätte.

Deshalb ist Transparenz der nächste große Schritt. Sprengnetter und PriceHubble arbeiten daran, ihre Algorithmen verständlicher zu machen - mit Erklärungen wie: „Ihr Wert ist 5% höher als der Durchschnitt Ihres Viertels, weil Ihre Wohnung in der 2. Etage liegt und eine Südterrasse hat.“

Immobilienmakler mit Tablet in einem Wohnzimmer, während der Eigentümer auf eine Wandbeschädigung zeigt.

Was ist die beste Strategie?

Die beste Strategie ist nicht: KI oder Mensch. Sondern: KI und Mensch.

Nutzen Sie die KI als ersten Filter. Sie spart Zeit, reduziert Fehler und zeigt Trends auf. Dann kommt der Mensch: Der Makler, der die Wohnung besichtigt, den Keller checkt, den Nachbarn fragt, ob die Heizung läuft, und die Stimmung im Haus spürt. Der Gutachter, der die Bausubstanz prüft und das Dach inspiziert. Der Banker, der die Risiken abwägt.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Investor in Köln nutzt PriceHubble, um 50 Wohnungen zu scannen. Er findet drei, die besonders gut abschneiden. Dann lässt er einen lokalen Makler sie besichtigen. Zwei davon haben versteckte Sanierungsbedarfe - die KI hat das nicht erkannt. Die dritte Wohnung ist perfekt - und wird gekauft. Ohne KI hätte er 50 Wohnungen besucht. Mit KI: drei.

Wie starten Sie mit einem KI-Tool?

Sie brauchen keine technische Expertise. So geht’s:

  1. Wählen Sie ein Tool: Sprengnetter oder PriceHubble für professionelle Nutzung, Immowelt für eine kostenlose Orientierung.
  2. Geben Sie die Adresse ein - oder laden Sie eine Excel-Liste mit 10-100 Adressen hoch.
  3. Lesen Sie die Schätzung - aber achten Sie auf das Konfidenzintervall. Steht da „80% sicher“? Dann ist die Schätzung unsicherer.
  4. Verwenden Sie die Ergebnisse als Gesprächsgrundlage - nicht als endgültige Entscheidung.
  5. Prüfen Sie kritische Objekte mit einem lokalen Experten.

Ein Tipp: Nutzen Sie die Tools nicht nur für Verkäufe. Nutzen Sie sie auch für Mietpreisvergleiche, Steuererklärungen oder um zu prüfen, ob Ihr Vermieter die Miete zu stark erhöht hat.

Was kommt als Nächstes?

Die KI wird besser. In zwei Jahren wird sie nicht nur Fotos analysieren - sondern auch Luftbilder, Wetterdaten, Lärmkarten und sogar Social-Media-Aktivitäten in der Nachbarschaft. Wer viel in der Gegend unterwegs ist, wer häufig in Cafés sitzt - das beeinflusst den Wert. KI wird das erkennen.

Auch die Regulierung kommt. Die EU arbeitet an Regeln für KI in der Immobilienwelt. Bald müssen Tools erklären, wie sie zu ihrem Wert kommen - und wer haftet, wenn sie falsch liegen.

Aber eines bleibt: Die menschliche Erfahrung, das Gefühl für einen Ort, die Erinnerung an eine Straße, die sich verändert hat - das kann keine Maschine ersetzen. Die Zukunft gehört nicht der KI allein. Sondern den Menschen, die sie klug nutzen.

Ist eine KI-Bewertung rechtlich gültig?

Nein. Eine KI-Bewertung ist keine verbindliche Verkehrswertermittlung nach § 194 Baugesetzbuch. Banken und Gerichte akzeptieren sie nicht als alleinige Grundlage. Sie dient als Orientierungshilfe - nicht als Ersatz für einen Sachverständigen.

Kann ich KI-Tools kostenlos nutzen?

Ja, aber mit Einschränkungen. Immowelt und Zillow bieten kostenlose Schätzungen an - aber nur für Einzelobjekte. Für professionelle Nutzung mit Listen, Vergleichsanalysen oder Prognosen brauchen Sie ein bezahltes Abonnement. Sprengnetter und PriceHubble starten ab 29 €/Monat.

Warum ist die KI in ländlichen Gebieten weniger genau?

Weil es zu wenig Verkaufsdaten gibt. KI lernt aus Vergleichsobjekten. In einem Dorf mit nur drei Verkäufen pro Jahr gibt es keine statistische Grundlage. In der Stadt gibt es Hunderte - da ist die KI sehr präzise.

Wie oft werden die KI-Modelle aktualisiert?

Führende Anbieter wie Sprengnetter und PriceHubble aktualisieren ihre Modelle monatlich. Sie fügen neue Verkaufsdaten, Zinsänderungen und Marktreaktionen hinzu. Ein Tool, das nicht regelmäßig aktualisiert wird, wird schnell veraltet.

Beeinflusst die KI die Immobilienpreise?

Indirekt schon. Wenn viele Käufer dieselbe Schätzung sehen, orientieren sie sich daran. Das kann Preise nach oben oder unten drücken - besonders in stark nachgefragten Gebieten. Aber die KI reagiert auf den Markt - sie erschafft ihn nicht.

4 Kommentare

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    Anton Avramenko

    Oktober 28, 2025 AT 22:29

    Endlich mal ein Artikel, der nicht nur die KI als Wundermittel verherrlicht, sondern auch die Grenzen zeigt. Ich nutze PriceHubble seit einem Jahr für meine Kleinanlagen – super für den ersten Überblick, aber ich checke jede Immobilie persönlich. Die KI sieht keinen feuchten Keller, aber ich schon. 🙌

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    Christian Bachmann (Admin)

    Oktober 30, 2025 AT 03:45

    Die zentrale Frage, die hier nicht ausreichend reflektiert wird, lautet: Was geschieht mit dem epistemologischen Status des Wertes, wenn er nicht mehr durch menschliche Urteilsfähigkeit, sondern durch algorithmische Korrelationen konstituiert wird? Die KI produziert keine Werte, sie reproduziert Muster – und diese Muster sind, wie jede Statistik, historisch kontingent. Was passiert, wenn der Markt sich plötzlich verschiebt, weil z.B. eine neue U-Bahn-Linie geplant wird, die noch nicht in den Datensätzen erfasst ist? Die KI bleibt stumm – und wir vertrauen ihr trotzdem. Das ist keine Technik, das ist eine neue Form von Aberglauben.

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    Fredrik Bergsjøbrenden

    Oktober 30, 2025 AT 09:29

    HAHAHAHA in deutschland? nein danke. wir in norwegen haben echte daten, nicht so nen kacke wie diese tools. hier in oslo reicht ein blick ausm fenster und du weisst wie viel wert die wohnung is. die deutschen denken immer noch, dass zahlen alles erklären. #norskeüberlegenheit

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    Erin Byrne

    Oktober 30, 2025 AT 11:03

    So ein cooler Artikel! Ich hab’s gerade mit meiner Wohnung ausprobiert – Immowelt hat 320k gesagt, der Makler meinte 340k. Die KI war nur 2k daneben. Ich war baff. 😍

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